Ergänzung der Tagesordnung zur Beschlussfassung der nächsten Ausschusssitzung Ausschuss für Bauen, Gebäude und Liegenschaften (Antrag gem. § 3 GO) zum Thema: „Dritter Ort“
Sehr geehrter Herr Bürgermeister Leuchtenberg,
sehr geehrter Herr Schwarz,
die Fraktion UWT 2020 bittet um Ergänzung der Tagesordnung zur nächsten Ratssitzung mit dem Ziel, eine Beschlussfassung zu den nachfolgenden Anträgen herzustellen.
Der Rat der Stadt möge beschließen,
- langfristig die Umwandlung des alten Rathauses im Stadtkern des Ortsteils St. Tönis in eine moderne Bibliothek mit Café als sogenannten „Dritten Ort“ und kulturelles Zentrum zu planen und
- unter Inanspruchnahme des Förderprogramms „Dritte Orte“ des Landes Nordrhein-Westfalen ein entsprechendes Konzept zu entwickeln.
Zur Begründung:
Das alte Rathaus ist eines der ältesten Gebäude der Stadt und befindet sich im Ortszentrum an exponierter Stelle am Rathausplatz. Es steht unter Denkmalschutz. Im Erdgeschoss befindet sich die bisherige Bibliothek, im Obergeschoss der große Sitzungssaal und weitere Räume (Standesamt). Weitere Räume befinden sich im Dachgeschoss. Eine moderne Bibliothek mit einem angeschlossenen Café in diesem Gebäude könnte das Herz eines kulturellen Zentrums bilden.
Der Begriff des „Dritten Ortes“ wurde von dem Soziologen Ray Oldenburg geprägt und beschreibt einen Gemeinschaftsort, der einen Ausgleich zu Familie, Beruf und Schule bietet.
Diese Orte, wie Cafés, Bibliotheken oder Parks, fördern soziale Interaktion und bieten Raum für Begegnungen und Austausch. Oldenburg identifiziert 8 Charakteristika solcher Orte: Neutralität, Offenheit für alle Gesellschaftsschichten, Förderung von Konversation, leichte Erreichbarkeit, Vorhandensein von Stammgästen, funktionale Gestaltung, spielerische Atmosphäre und das Gefühl einer zweiten Heimat.
Bibliotheken eignen sich in besonderer Weise als sogenannte „Dritte Orte“. Eine moderne Bibliothek geht heute weit über die traditionelle Ausleihe von Büchern hinaus. Sie bietet Zugang zu digitalen Medien, organisiert Veranstaltungen und Workshops und fördert damit die kulturelle Teilhabe aller Bürgerinnen und Bürger.
Als „Dritter Ort“ bietet die Bibliothek einen neutralen und einladenden Raum, der Menschen unterschiedlicher Herkunft und Altersgruppen zusammenbringt, sie fördert das Gemeinschaftsgefühl und bietet Raum für informelle Begegnungen und den Austausch von Ideen. Die Bibliothek kann als Katalysator für soziale Interaktion und Integration dienen, indem sie Möglichkeiten für Begegnung und Dialog schafft. Gefördert wird auch der soziale Zusammenhalt, indem sie Menschen unterschiedlicher Hintergründe zusammenbringt. Dies geschieht durch Veranstaltungen, informelle Treffen, Workshops, die den Austausch von Ideen und die Bildung neuer sozialer Netzwerke ermöglichen.
Die Bibliothek als „Dritter Ort“ bietet Zugang zu Bildung und Kultur für alle Altersgruppen. Sie unterstützt lebenslanges Lernen und kulturelle Teilhabe, was besonders in ländlichen Regionen von Bedeutung ist.
Die Umwandlung des alten Rathauses kann zur Belebung des Stadtkerns beitragen, indem sie mehr Besucher anzieht und die lokale Wirtschaft unterstützt. Ein gut frequentiertes kulturelles Zentrum kann auch den Einzelhandel und die Gastronomie in der Umgebung beleben.
Der Bau eines Cafés innerhalb der Bibliothek und im Außenbereich wird die Attraktivität des Ortes erhöhen. Ein Café bietet zudem einen weiteren sozialen Raum, der zum Verweilen einlädt und die Aufenthaltsqualität erhöht. In den Obergeschossen könnten Räume für Filmvorführungen, digitale Medienarbeit und weitere Nutzungsmöglichkeiten entstehen. Diese Räume würden zusätzliche Zielgruppen ansprechen. Insbesondere könnten sie für Jugendliche und junge Erwachsene attraktiv sein, die einen Ort für kreative und digitale Projekte suchen. (Stichwort: working spaces).
Der Erhalt, die Umbildung, die Renovierung und Neunutzung des historischen Gebäudes als kulturellem Treffpunkt wird das Bild des Stadtkerns positiv beeinflussen. Dem Rathausplatz käme eine völlig neue Bedeutung zu.
In wirtschaftlich herausfordernden Zeiten ist die Förderung von Kultur von besonderer Bedeutung. Kulturförderung zielt darauf ab, Barrieren abzubauen und Diskriminierungen zu überwinden, um kulturelle Teilhabe für alle zu ermöglichen. Sie trägt zur Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts bei und fördert die Attraktivität und die Lebensqualität der Stadt. Sie gibt den Menschen Auftrieb und das Gefühl Bedeutung innerhalb des Stadtlebens zu haben. Durch gezielte Investitionen in kulturelle Einrichtungen wie Bibliotheken wird nicht nur die kulturelle Infrastruktur gestärkt, sondern auch die soziale und wirtschaftliche Entwicklung der Kommune unterstützt.
Ein positives Beispiel im Kreis Viersen ist die geplante Umwandlung der Süchtelner Stadtbibliothek in einen „Dritten Ort“ und eine „open library“. Dieses Projekt zielt darauf ab, die Bibliothek zu einem offenen, einladenden Raum für die Gemeinschaft zu machen, der über die traditionelle Bibliotheksfunktion hinausgeht.
Um sich mit der Idee einer modernen Bibliothek als „Drittem Ort“ im größeren Umfang anzusehen, bieten sich die Stadtbibliotheken Bergkamen, Stuttgart, Würzburg oder Leipzig, die Bibliothek in Amsterdam und die in Dornbirn, Österreich an.
Das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen unterstützt die Entwicklung kultureller Begegnungsorte und ihren nachhaltigen Betrieb. Dies insbesondere im ländlichen Raum. Das Förderprogramm verknüpft die Förderung der Konzeptentwicklung mit einem Beratungsangebot für die Kommunen. Das Programm besteht seit 2019 und wurde kürzlich fortgeschrieben in die 2. Generation bis 2028. Auf der Seite des Ministeriums findet man unter dem Begriff „Dritte Orte“ weitere Beispiele für Konzepte in anderen, auch kleineren Städten wie Bergkamen, Gronau, Hattingen, Herzogenrath, Ibbenbüren, Lohmar etc. Dieser Antrag soll als erster „Aufschlag“ zur Entwicklung von weiteren Ideen zur Ausgestaltung und Umgestaltung des schönen alten Gebäudes dienen.
Uns ist klar, dass der Neubau des Verwaltungsgebäudes in unberechenbare Ferne gerückt ist durch die Probleme bei der Findung eines geeigneten Ortes für die Gesamtschule. Andererseits sehen wir aber auch die Neuplanung des alten Rathausgebäudes als sehr langfristiges Projekt, das einer gründlichen Planung und Betrachtung bedürfen.
Von daher sehen wir den Zeitpunkt jetzt als gegeben an, mit dieser Planung zu beginnen, was im Ergebnis den Vorteil hätte, dass sich Politik, Verwaltung und Bürgerschaft mit einem Projekt befassen können, das positive Zukunftsaussichten vermittelt.
Mit freundlichen Grüßen
Jörg Frick
Geschäftsführer