Antrag gem. § 3 der GO der Stadt Tönisvorst
„Prüfungsauftrag an die Verwaltung nach möglichen Förderanträge & Beitritt zum Netzwerk Stadtentwicklung NRW“
Sehr geehrter Herr Bürgermeister Leuchtenberg,
die UWT 2020 Fraktion beantragt, die Verwaltung zu beauftragen:
- zu prüfen, ob und zu welchen Bedingungen die Stadt Förderanträge, zu den nachfolgenden Teilprogrammen, stellen kann:
„Lebendige Zentren – Erhalt und Entwicklung der Stadt- und Ortskerne“
und/oder „Sozialer Zusammenhalt – Zusammenleben im Quartier gemeinsam gestalten“
und/oder „Wachstum und nachhaltige Erneuerung – lebenswerte Quartiere gestalten“
im Rahmen der Verwaltungsvereinbarung „Städtebauförderung zwischen dem Land Nordrhein-Westfalen und dem Bund für das Jahr 2024 für eine umfassende Erstberatung für ein Konzept zur langfristigen Innenstadt Entwicklungund falls die Voraussetzungen für eine Förderung der Beratung gegeben sind, einen entsprechenden Antrag vorzubereiten.
- Dem am 15. Januar 2024 in Münster gegründeten Netzwerk Stadtentwicklung NRW beizutreten und regelmäßig über die Teilnahme an Veranstaltungen dieses Netzwerkes in den Ausschüssen/im Rat zu berichten. Unseren Beschlussantrag bitten wir auf die Tagesordnung der nächsten Ratssitzung zu nehmen.
Zur Begründung:
Der Strukturwandel stellt auch die Tönisvorster Ortskerne vor große Herausforderungen. Die Annahme des Offensichtlichen, dass immer mehr Einzelhandelsgeschäfte in den beiden Ortszentren schließen, Leerstände teilweise gravierende Lücken im Gesamtbild hinterlassen, fällt schwer.
Bürgerinnen und Bürger, Einzelhändlerinnen und Einzelhändler fordern von der Stadt, diesem Strukturwandel entgegenzuwirken, ohne dass es hierfür ein Konzept gäbe. Der allgemeinen Ratlosigkeit werden weitere Schließungen folgen.
Die Ursachen für diesen Wandel liegen nicht im Verursachungsbereich der Kommune. Sie können von ihr auch nicht verändert werden. Auf lange Sicht auch nicht deren Folgen, denn die Ursachen liegen außerhalb: im veränderten Konsumverhalten der Bürgerinnen und Bürger bedingt durch die fortschreitende Digitalisierung und den zunehmenden online-Handel.
Für die Zukunft ergeben sich damit aber auch Chancen. Die lebendige Nutzungsvielfalt in den Stadtzentren soll, so die Ergebnisse der modernen Forschung in der Urbanistik, erhalten bleiben können, allerdings zu veränderten Bedingungen. Dafür müssen aber die Konzepte schrittweise verändert und langfristig tragfähige neue Leitbilder und Nutzungen generiert werden, die das Erleben von Heimat und kultureller Verwurzelung ermöglichen.
Im Ergebnis geht man davon aus, dass die langfristige Umgestaltung eines Stadtzentrums nur dann mit Erfolg vonstattengehen kann, wenn sich Politik und Verwaltung möglichst frühzeitig mit dem Wandel beschäftigen, um Zeit zu haben, Veränderungen individuell auszuprobieren. Gebäude und Freiflächen müssen mit neuen Zielsetzungen wieder ins öffentliche Bewusstsein gerückt und der innerstädtische Gebäudebestand soll als Ressource dienen. Den durch den Funktionswandel veränderten Anforderungen soll begegnet und zugleich die traditionelle Bedeutung der Innenstadt als multifunktionaler Standort für Versorgung, Arbeit, Wohnen, Kultur, Bildung und Freizeit unter Bewahrung des baulichen Bestands gestärkt werden.
Der Rückzug des Einzelhandels bietet Raum für die Rückkehr traditioneller und die Ansiedlung neuer Nutzungen in den Innenstädten und ihren Bestandsgebäuden. Zur Revitalisierung des Gebäudebestands erlangt Wohnraum für alle Generationen eine neue Bedeutung. Dem folgend muss sich der Einzelhandel darauf einrichten, vorwiegend Angebote der Grundversorgung und der Gastronomie zu bieten.
Die Eigentümerinnen und Eigentümer der Gebäude in der Innenstadt müssen in ihrer Eigenschaft als Vermieterin und Vermieter in diesem Erkenntnisprozess mitgenommen werden und die geänderten Anforderungen mittragen.
Das Konzept für die Nutzung der Gebäude muss peu a peu verändert werden. Die ärztliche Grundversorgung und Angebote für Sport und Gesundheit, Selbsthilfe und Integration durch Vereine, Makerspaces und Freiwilligenagenturen werden die vorhandenen Bauten weiterverwenden können. Auch die Betreiber dieser Einrichtungen müssen in die Planung eingebunden und ihr Bewusstsein für die Veränderungen geschärft werden.
Ein solches Konzept für die Innenstadt kann nicht in wenigen Monaten oder Jahren erstellt, präsentiert und dann einfach umgesetzt werden. Was es braucht, ist eine gute und den Prozess begleitende Beratung, eine erste Vermittlung der Erkenntnisse aus der Forschung, eine Handlungsplanung, die Ermittlung aller in den Prozess einzubeziehenden Akteure und Betroffenen, eine genaue Analyse der Vorortsituation und ein Konzept, in welcher Weise die vorhandenen Ressourcen und Beteiligten in den Prozess einbezogen werden müssen bzw. können.
Uns geht es mit dem vorliegenden Antrag zu 1) darum, eine erste Diskussion zu initiieren und frühzeitig Weichen zu stellen, d.h. fachkompetente Beratung in Anspruch zu nehmen.
Über das genannte neue Förderprogramm des Landes NRW können für diese Beratung und für die konzeptionelle Begleitung in den Prozess des Wandels Gelder generiert werden.
Das Förderprogramm soll der Stärkung der zentralen städtischen Funktionen und besseren Bewältigung des anstehenden Strukturwandels dienen. Es soll helfen, das zukünftige Miteinander von Einzelhandel, Verwaltung, Gewerbe, Handwerk, Gastronomie, Wohnen, Bildung und Kultur in Innenstädten zu entwickeln und bietet auch eine langfristige Unterstützung.
Den Beitritt der Stadt Tönisvorst zu dem am 15.01.2024 gegründeten Netzwerk „Stadtentwicklung NRW“ halten wir für wichtig, weil das grundsätzliche Thema in den nächsten Jahren in allen Kommunen an Bedeutung zunehmen wird und interkommunaler Erfahrungs- und Wissensaustausch für unsere Stadt nur förderlich sein kann.
Es gilt, für die Zukunft Konzepte zu entwickeln, die den realen Verhältnissen und Entwicklungen Rechnung tragen und nicht dem Wunschdenken von „Wir machen weiter so wie bisher, das wird schon halten“.
Die Bürgerinnen und Bürger haben ein Recht darauf, dass Politik und Verwaltung zukunftsorientierte Entscheidungen treffen und sich anpasst.
Je früher die Folgen des Strukturwandels in den Blick genommen werden und langfristig unter Beteiligung aller Akteurinnen und Akteure vorsichtig, aber nachhaltig die zukünftige Gestaltung der Innenstadt geplant wird, umso resilienter wird die Stadtgemeinschaft dem Wandel begegnen können.
Mit freundlichen Grüßen
Heidrun Sorgalla
Fraktionsvorsitzende